75 Jahre Apothekerkammer: Als „Gesundheitshaus“ in die Zukunft
Eine Faustregel der Medizinischen Universität Wien besagt, dass 900 von 1.000 Menschen,die wegen eines Gesundheitsproblems medizinische Hilfe suchen, dieses mit betreuter Selbsthilfe gut selbst lösen könn(t)en. Die Apotheke bietet diese Selbsthilfe und kann so das Gesundheitssystem wirksam entlasten. Anlässlich des 75. Jahrestages der Gründung der Österreichischen Apothekerkammer hat PHOENIXprint mit Apothekerkammerpräsidentin Mag. pharm. Dr. Ulrike Mursch-Edlmayr gesprochen.
Welches Résumé ziehen Sie, wenn Sie auf die Geschichte der Apothekerkammer zurückblicken?
Ulrike Mursch-Edlmayr: In Österreich haben wir ein flächendeckendes, wohnortnahes und niederschwelliges Apothekensystem. Heute versorgen 1.415 öffentliche Apotheken und 42 Krankenhausapotheken die Bevölkerung wohnortnah. Täglich werden österreichweit bis zu 500.000 Menschen in der Apotheke beraten und mit Arzneimitteln und pharmazeutischer Expertise versorgt. Darum beneiden uns sehr viele Länder. Unsere Apotheken sind starke Einzelbetriebe und als verlässliche Partner in die Strukturen vor Ort verwurzelt. Wir haben keine Apothekenketten, die Filialen schließen und Menschen unversorgt zurücklassen, weil die Rendite nicht stimmt. Und bei uns gehören Arzneimittel und Apotheken untrennbar zusammen, das hat der Verfassungsgerichtshof erst 2021 bestätigt. Damit drohen uns keine Zustände wie beispielsweise in den USA, wo man starke Schmerzmittel in jedem Super- oder Drogeriemarkt kaufen kann – mit den bekannten gesundheitsgefährdenden Folgen wie Abhängigkeit, Leber- und Nierenschäden, langen Spitalsaufenthalten und Todesfällen. Ohne den jahrzehntelangen Einsatz der Apothekerkammer auf politischer Ebene wären der Aufbau dieses stabilen Apothekennetzes und die Erfolgsgeschichte unseres Berufsstandes nicht möglich gewesen.
Wo sehen Sie die Apotheken im österreichischen Gesundheitssystem?
Mursch-Edlmayr: Stellt man sich die Gesundheitsversorgung wie ein Haus vor, dann sind öffentliche Apotheken das unverzichtbare Erdgeschoß und Krankenhausapotheken die zentralen Säulen für das oberste Spitals-Stockwerk. Um unser leicht zugängliches, flächendeckendes Angebot beneidet man uns in ganz Europa. Gerade die oberen Stockwerke des Gesundheitshauses geraten durch die aktuellen gesundheitspolitischen Herausforderungen immer stärker unter Druck, strukturelle Probleme werden immer sichtbarer: Bevölkerungswachstum, Zivilisationskrankheiten und die Überalterung der Bevölkerung erhöhen den Druck auf das medizinische System, die Überlastung nimmt stetig zu. Deshalb ist es aktuell nötiger denn je, alle Möglichkeiten auszuschöpfen und neue Wege zu beschreiten. Und das Potenzial von Apotheken ist dabei enorm. Die Menschen wissen, dass sie von unseren Apothekerinnen und Apothekern hervorragend beraten und betreut werden. Deren Expertisen sollen und müssen deshalb in ergänzenden Bereichen Anwendung finden.
Mit welchen Anliegen gehen Sie in die Zukunft?
Mursch-Edlmayr: Apotheken waren und sind Orte des Vertrauens. Wir werden alles daransetzen, um dieses Vertrauen weiter auszubauen und die Versorgung der Bevölkerung durch niederschwellige Gesundheitstests und Screenings zu verbessern. Wir sind das Scharnier in einem Gesundheitshaus, das offenkundig in die Jahre gekommen ist, das dringend reformiert werden muss. Diese Sanierung kann nur mit uns Apothekerinnen und Apothekern gelingen. Denn wir sind das Fundament des Gesundheitssystems. Wir haben das Fachwissen und die Empathie, um die jeweilige Situation richtig einschätzen zu können. Wir sind rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr, für die Patientinnen und Patienten da.
Einige (zukünftige) Leistungen der Apotheken:
- Wegweiserinnen in Gesundheitsfragen und Schnittstelle zu Ärztinnen und Ärzten sowie Spitälern und anderen Gesundheitseinrichtungen
- Expertinnen für Medikamente und Arzneimittelsicherheit
- Beraterinnen für Präventionsmaßnahmen und gesunden Lebensstil
- Herstellerin maßgeschneiderter Arzneimittel bei bestimmten Indikationen oder nicht lieferbaren Fertigpräparaten